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Warum der derzeitige Hardware-Verkauf unfair ist

Ob Scalper_innen, die Corona-Pandemie, der Bitcoin-Hype oder der falschbewertete Andrang der Kund_innen seitens der Herstellenden: Wer derzeit auf der Suche nach einer neuen Grafikkarte, Playstation 5 oder Xbox Series X ist, schaut in die Röhre. Nur wer das nötige Kleingeld hat, wird ohne Probleme an die begehrte Technik kommen. Die Lösungen fördern zum Teil aber eher Ungleichheiten, anstatt diese aufzuheben.

„Mist, storniert …“, murmele ich vor mich hin. Leider gehöre ich zu den Personen, die zum einem der ungünstigsten Zeiten einen neuen Gaming-Rechner brauchen, um die Mindestanforderungen für die neusten Games erfüllen zu können. Voller Vorfreude verabschiedete ich meinen Rechner in Richtung meiner Schwester und bestellte mir einen neuen bei einer bekannten Elektronikmarkt-Kette. Die Lieferzeit betrug schon einige Monate, die ich aber in Kauf nahm, um nicht noch mehr Geld auszugeben, als ich wollte.

Drei Wochen später erfolgte die Ernüchterung: Per E-Mail wurde mir mitgeteilt, dass mein Kauf storniert wurde, da der Rechner nicht mehr verfügbar sei. Schon dieser Rechner hätte mich als Studentin ein kleines Vermögen gekostet. Geld, das ich mir während der Corona-Pandemie zwar gut ansparen konnte, fielen doch Ausgaben von Freizeitaktivitäten wie Kino-, Mittelaltermarktbesuche (kein Scherz!) oder auch der langersehnte Urlaub weg. Also begab ich mich auf die erneute Suche und bestellte zähneknirschend einen Rechner, der einige hundert Euro teurer war, als ich eigentlich einplante.

Dabei bin ich wohl nicht die einzige Person, die derzeit Probleme mit der Beschaffung von neuer Technik hat. Nicht nur Grafikkarten, auch die Xbox Series X und vor allem die PS5 sind immer noch mit mehr Glück als Verstand zu erstehen. Sogar die Nintendo Switch, die technisch gesehen nur mit der PS3 oder Xbox 360 mithalten kann, hatte zeitweise Lieferengpässe.

Scalper_innen als ausgemachtes Feindbild

Warum ist es derzeit so angespannt auf dem Hardware-Markt? Schaut man sich die gängigen Spiele-Websites an, ist klar, wem die Schuld zugewiesen wird: Scalper_innen, also Personen, die sich mithilfe von Bots mehrere Konsolen oder Grafikkarten gleichzeitig sichern konnten und diese auf Verkaufsplattformen wie eBay verkaufen. Die Preise sind dabei meist deutlich über den Preisempfehlungen der Herstellenden. So pendeln sich die Preise für eine heiß begehrte PS5 mit Laufwerk zwischen 650 bis 800 Euro ein. Zur Erinnerung, sie kostet normalerweise knapp 500 Euro. Einige Personen bieten selbst gebrauchte Konsolen über den Einkaufspreis an. Schauen wir uns die Xbox Series X an, müssen Spieler_innen für den Sofortkauf „nur“ mit ungefähr 600 statt 500 Euro rechnen.

Aber sind Scalper_innen wirklich so ein großes Problem? Der SPIEGEL behauptete im Februar eher gegenteiliges. Denn obwohl genannte Personen sicherlich ihren Teil zur derzeitigen Hardware-Knappheit beitragen, sind vergleichsweise wenige Konsolen über Verkaufsplattformen verkauft worden. Über zwei Millionen PS5-Konsolen wurden innerhalb der ersten zwölf Stunden regulär verkauft. Laut Daten der Verkaufsplattformen eBay und StockX wurden weltweit bis Anfang Dezember aber nur 110.000 Exemplare verkauft. Von einer Angebotsflut bei eBay und Co., die es laut dem Autor geben müsste, kann keine Rede sein: So befindet sich auf der deutschen eBay-Webseite nur eine vierstellige Anzahl an weiterverkaufbaren PS5-Konsolen. In den Kleinanzeigen finden wir auch ähnliche Zahlen.

Auch vom Verkaufswahnsinn betroffen: Nvidias RTX 3080 wird gerne zur Generierung von Krypto-Währungen genutzt. Bei mir läuft sie nur heiß, weil ich anspruchsvolle Games spiele.
Foto von: Game Activists

Wer geht denn noch leer aus?

Daher ist es vielleicht etwas schwierig zu sagen, dass nur die Scalper_innen und ihre Bots die alleinige Schuld an der Misere rund um die PS5 haben. Vielmehr hat Sony zunächst den Andrang unterschätzt und schafft es nicht, genügend Konsolen zu produzieren. Ganz unmöglich ist es aber nicht, an die PS5 zu kommen. Mit ein bisschen (viel) Glück und der Hilfe eines Twitter-Bots können prinzipiell alle Personen an eine der begehrten Konsolen rankommen. Im Selbstversuch habe ich es beim zweiten Versuch geschafft, eine der beliebten Konsolen in den Warenkorb zu legen und zu kaufen. Man muss nur gut vorbereitet und sehr schnell sein. Aber auch banalere Dinge entscheiden darüber, wer eine Konsole kaufen kann.

Der größte Teil der anbietenden Märkte bietet die frisch gelieferten Konsolen meist vormittags bis mittags unter der Woche an. Dass ich als Soziologie-Studentin unter der Woche Zeit habe und ständig den Bot im Auge haben konnte, hat sicherlich dazu beigetragen, dass ich schnell an eine Konsole kam. Andere Personengruppen haben mehr Schwierigkeiten, die PS5 zu kaufen. So zählen dazu beispielweise Arbeitnehmer_innen, die keine Möglichkeit haben, mal schnell während der Arbeit eine Konsole zu bestellen.

Preis-Explosion bei Grafikkarten

Und auch der Grafikkartenmarkt erzeugt derzeit eher Frust als Lust für Gamer_innen, die aufrüsten wollen bzw. müssen. In normalen Shops sind leistungsstarke Grafikkarten kaum zu kriegen. Hier liegt das Problem eher darin, dass nicht nur Gamer_innen Interesse an ebendiesen Produkten haben. Auch bei Personen, die Krypto-Währung wie Bitcoins herstellen, sind diese beliebt, da die Generierung gute Grafikkarten benötigt. Dabei reicht eine leistungsstarke Grafikkarte meist nicht aus, um große Gewinne abzuwerfen. Und Krypto-Währungen sind derzeit extrem begehrt … trotz des Risikos, dass mit einem einzigen Tweet von Elon Musk der Bitcoin mal schnell 5000 Euro weniger wert ist. Mittlerweile scheinen sich die Grafikkartenpreise langsam zu beruhigen, wodurch die Hoffnung steigt, gute Grafikkarten wie Nvidias Geforce RTX 3080 wieder zu einem akzeptablen Preis zu erhalten.

Ist eine Lösung in Sicht?

Die Knappheit an Hardware bringt auch die Unternehmen dazu, Lösungen zu finden. Nvidia setzt bei der RTX 3060 auf eine Begrenzung der Hash-Rate, die für das Mining von Krypto-Währung wichtig ist. Das hielt Hacker_innen natürlich nicht davon ab, diese Sperre zu umgehen. Weiterhin will Nvidia nun explizit Grafikkarten für das Krypto-Mining produzieren. Dabei stellt sich die Frage, ob dieser Schritt wegen der Kernkundschaft an Spielenden erfolgt ist. Es könnte aber auch sein, dass Nvidia schlichtweg gemerkt hat, dass man auch beim Thema Krypto-Mining ziemlich viel Geld verdienen kann, indem man den Bitcoin-Schürfer_innen entsprechende Hardware anbietet.

Während Sony weiter produziert, greifen Händler_innen auf ein paar Tricks zurück. So werden Kund_innen in Warteschlangen eingereiht, damit alle eine reelle Chance auf eine PS5 haben und dabei nicht das Risiko eines Herzinfarktes entsteht (ok, das ist vielleicht etwas übertrieben, aber ich war kurz davor!). Dennoch gilt beim größten Teil der Geschäfte: Wer schnell genug ist, kriegt eine Konsole.

Hat noch nicht ausgedient: Die PS4 wird bei vielen aufgrund der PS5-Knappheit noch ein Weilchen auf ihre Rente warten müssen. Foto von: Game Activists

Preissteigerungen und Auktionen können nicht die Lösung sein

Ein anderer Elektrofachmarkt griff auf höhere Preise bei der Xbox Series X zurück. So war sie kurzzeitig 100 Euro teurer als Microsofts unverbindliche Preisempfehlung. Und sie wurden trotzdem gekauft! Mittlerweile gibt es wieder Entwarnung, eine dauerhafte Erhöhung wurde dementiert und wenige Anbieter_innen werfen die Konsolen über der Preisempfehlung der Herstellenden auf den Markt.

Andere fordern wiederum eine Auktion seitens der herstellenden Unternehmen. So sollen Sony, Microsoft und Nvidia, anstatt über Zwischenhändler_innen, ihre Konsolen zunächst selbst versteigern. Damit soll absurderweise eine fairere Verteilung garantiert sein, obwohl die Preise deutlich über der unverbindlichen Preisempfehlung liegen. Allzu gerne wird dabei vergessen, dass die meisten Konsolen immer noch bei Personen landen, die nicht abwarten müssen, bis sie sich die Konsole leisten können, weil genügend Kapital vorhanden ist.

Was ich persönlich als deutlich sinnvoller erachte, ist ein reines Auslosen oder Wartelisten für die Konsolen oder Grafikkarten. Dann haben prinzipiell alle die Chance, die begehrte Hardware zu erhalten. Selbstverständlich ist das Problem mit den Reseller_innen damit nicht gelöst. Es sind noch weitere Kontrollmechanismen nötig, um nur ein Produkt pro Person zu verkaufen. Aber der Gedanke, dass alles mit einigermaßen fairen Mitteln vonstattengeht, ist deutlich beruhigender, als dass unser Geldbeutel darüber bestimmt, wer die neue Hardware bei sich zuhause stehen hat.

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