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Metroid im Wandel der Zeit – Feministische Ikone oder Sextrophäe?

Samus Aran aus den Metroid-Spielen ist mittlerweile eine Ikone unter den Videospielfans. Neben Mario und Link gehört sie zu den ältesten und beliebtesten Figuren des Nintendo-Franchises. Dazu ist Samus Aran, neben Lara Croft, das Beispiel Nummer 1, wenn es um starke Frauenrollen in Videospielen geht – ob sie das jedoch berechtigt ist, zweifelt Alex an.

Wir schreiben das Jahr 1986. Auf dem Nintendo Entertainment System, kurz NES, erscheint das Spiel Metroid. Darin spielen wir einen sogenannten Space Hunter, der Weltraumpiraten aufhalten soll, eine neu entdeckte Lebensform zu stehlen. Unsere Spielfigur ist während des 2D-Abenteuers in einem High-Tech-Raumanzug verhüllt und schießt sich mithilfe der Rüstung durch Alienhorden und springt von Plattform zu Plattform.

Im All gegen Weltraumpirat_innen kämpfen – das klang für viele damals eher nach einem Spiel, das eine männliche Zielgruppe hat. Zu der Zeit waren Videospiele sowieso eine „Männerdomäne“, die Zeiten haben sich zum Glück geändert. Entsprechend gab es in Games wenige weibliche Protagonistinnen. Als man damals als Space Hunter gegen Aliens und Piraten kämpfte, erwartete man auch einen Mann hinter dem Helm. Selbst in der Spielbeschreibung von Metroid wird von einem Mann gesprochen: „He is a cyborg: his entire body has been surgically strengthened with robotics, giving him superpowers. […] But his true form is shrouded in mystery.“

Metroid aus dem Jahr 1986 hat eine ganze Generation geprägt. Ein sexistisches Ende hat es trotzdem. Screenshot von: Game Activists – Spiel: Metroid

Als sich herausstellte, dass die Spielfigur eine Frau ist, staunten die Spieler_innen nicht schlecht. Spieler_innen staunten also nicht schlecht, als am Ende aufgedeckt wurde, dass die Spielfigur in Wahrheit eine Frau ist. Die starke Samus Aran, welche sich im Alleingang gegen Außerirdische und Gesetzeslose durchgesetzt hat, ging in die Videospielgeschichte ein. Spielende und Kritiker_innen waren begeistert! Das Gameplay war ausgezeichnet und hat sogar mit Castlevania zusammen das Genre Metroidvania erschaffen! Und Samus Aran war eine der ersten, wenn nicht sogar die erste, starke unabhängige Frau in der Videospielwelt. Vorher wurden Frauen meist als zu rettendes Objekt dargestellt, siehe beispielsweise Super Mario mit Peach. Dreizehn weitere Ableger begeisterten die Fans und Samus Aran blieb ans Ende aller Tage ein herausragendes Beispiel für Protagonistinnen in Videospielen … oder?

Frauen als Trophäe

So wurde mir das jedenfalls immer erzählt – mit meinen zarten 22 Jahren konnte ich die Geschichte leider nie selbst miterleben. Als ich mich aber mal etwas länger mit Nintendos blonden Kämpferin beschäftigt habe, bin ich doch etwas ins Stocken gekommen. Dass Samus Aran ein Paradebeispiel für eine gut umgesetzte Frauenrolle in Videospielen ist, ist ungefähr genauso akkurat wie bei Lara Croft.

Was nämlich oft unerwähnt bleibt, ist, wie Samus Aran am Ende des Spiels ihr Geschlecht sichtbar macht. Das kommt nämlich ganz auf den Spielenden an. Spielt man Metroid unter fünf Stunden durch, entblößt die Protagonistin ausschließlich ihren Helm und zeigt ihr langes braunes Haar. Wenn man jedoch etwas schneller ist und das Videospiel unter drei Stunden durchspielt, fällt die gesamte Rüstung weg und Samus Aran zeigt in einem hautengen Body ihren deutlich als weiblich erkennbaren Körper. Ist man aber noch schneller und schafft es, das Game innerhalb einer Stunde durchzuspielen, erscheint Samus Aran im pinken Bikini.

Wenn man Metroid unter einer Stunde durchspielt, zieht sich Samus Aran bis auf die rosa Unterwäsche aus … Wieso Nintendo, wieso? Screenshot von: Game Activists – Spiel: Metroid

Damit arbeitet das Spiel gezielt gegen die feministischen Errungenschaften, was das Game bis dahin erzielt hat. Samus Aran wird letztendlich doch auf ihren Körper und ihre Weiblichkeit reduziert. Es geht nicht mehr einzig um die für damalige Zeiten größte Offenbarung der Videospielgeschichte, welches daraus bestand, eine Frau gesteuert zu haben. Samus Arans Körper wird stattdessen zur Trophäe umfunktioniert, die man für gute Leistungen im Spiel erhält. Wenn man sich also nur genug anstrengt, zieht sich die Frau für den Spielenden aus. Diese Schlussszenen mit der halbnackten Protagonistin wurden in den nächsten Metroid-Spielen weitergeführt.

Erst in den späteren Ablegern erhielt sie ihre heutzutage charakteristischen blonden Haare und den blauen Hautengen „Zero-Suit“. Auch der Raumanzug wurde mit der Zeit immer körperbetonter.

Aus den Fehlern der Vergangenheit lernen? Nein Danke!

“I felt that if I let my guard down I would easily be broken. Beyond that, I was scared.” Das sind die ersten Worte Samus Arans, die im 2010 erschienenen Metroid: Other M fallen. Zum ersten Mal erhielt Samus Aran eine Stimme, was eine weitaus tiefere Charakterisierung ihrerseits zuließ. Jedoch ist das daraus entstehende Potenzial nach hinten losgegangen. „In Metroid: Other M, the formerly silent character is given voice for the first time, a voice that goes against everything her character once stood for and backtracks on the trails she once blazed.“, schreibt IGN-Autorin Audrey Drake.

Während spielerisch das Game bei den Konsument_innen überzeugte, stand die Geschichte und Porträtierung rund um Samus Aran in starker Kritik. Aus der selbstständigen, starken Frau wurde eine unsichere, nur auf Befehle reagierende Marionette. „Samus Arans Fixierung auf ihren Kommandanten Adam Malkovich wird im Spiel kontinuierlich betont und das Bild einer Beziehung gezeichnet, die auf einseitiger Machtausübung aufbaut.“, so Nina Kiel, Autorin vom Buch „Gender in Games“.

Schon der Anfang zeichnet sich stark von den Vorgängern ab. Wo in Metroid von 1986 Samus Arans Geschlecht zum Ende gezeigt wird, startet Metroid: Other M mit einer Kamerafahrt über Samus Arans Körper im hautengen Latexanzug. Der Spieß wird damit umgedreht. Wo vorher ihre Handlungen die Essenz war, ist nun ihre Weiblichkeit im Fokus.

Yoshio Sakamoto, ein Mitentwickler der Metroid-Saga, erzählte in einem Interview Folgendes: „Before Other M I did not think about what kind of person Samus Aran was and how she thinks and her personality. So with Other M I really wanted to determine and express what kind of human Samus Aran is so that we can really tell what kind of natural step she should be taking in the future.“ Aus dieser Aussage ist zu entnehmen, dass Samus Arans Schwäche und Unselbstständigkeit eine bewusste Entscheidung in Metroid: Other M war. Noch dazu war Samus Arans starke Rolle in den vorherigen Spielen scheinbar keine Absicht, sondern ist nur das Ergebnis mangelhafter Charakterzeichnung gewesen. „Demzufolge ist sie keineswegs ein prominentes Beispiel für starke Frauenrollen in Videospielen, sondern nunmehr deren exakter Gegenentwurf.“, so Kiel.

Auch in späteren Spielen wie Super Metroid zieht sich die Protagonistin aus, wenn wir besonders schnell waren. Eine Tradition, auf die die Spielereihe nicht stolz sein sollte.
Screenshot von: Game Activists – Spiel: Super Metroid

Metroids Zukunft

Mittlerweile sind zwei neue Metroid-Ableger in Arbeit. Seit der Ankündigung auf der E3 vor vier Jahren warten Fans sehnsüchtig auf ein Release-Datum von Metroid Prime 4. Stattdessen kündigte Nintendo auf der diesjährigen E3 Metroid Dread an – ein neues 2D-Abenteuer mit Samus Aran. Wie sich die Geschichte der Space Hunterin noch entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Nintendo ist nämlich in einigen Aspekten noch immer etwas altbacken: Peach wurde vor kurzem noch regelmäßig von Bowser entführt und Birdos Transgender-Persönlichkeit ist auch mehr schlecht als recht porträtiert. Es wirkt also auf den ersten Blick unwahrscheinlich, dass das japanische Unternehmen in den neuen Metroid-Spielen mehr Fokus auf eine ordentliche Darstellung der Protagonistin legt. Aber in elf Jahren seit Metroid: Other M kann sich vieles getan haben … drücken wir mal die Daumen.

Ein weiteres Spiel mit einem Sexismus-Problem: Dragon Quest 11!

Quellen: Wie immer sind alle Internet-Quellen direkt verlinkt. Alle weiteren Quellen kommen aus dem Buch “Gender in Games – Geschlechtsspezifische Rollenbilder in zeitgenössischen Action-Adventures” von Nina Kiel.

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