Was Hogwarts Legacy beim Thema Transgender besser machen sollte als Cyberpunk 2077
Besser zu spät als nie: Fast drei Monate nach dem Pride-Month schauen wir uns mal an, wie Videospiele mit Diversität im Bereich der Geschlechtsidentitäten umgehen. Die Umsetzung von trans Personen ist nicht immer ideal. Gerade Games, in denen man Protagonist_innen selbst gestalten kann, haben immer noch Verbesserungsbedarf. Am Beispiel von CD Projekt REDs Cyberpunk 2077 zeigt Steffi euch, was das nächste große Spiel mit trans Optionen, Hogwarts Legacy, besser machen sollte.
Ach, was war ich skeptisch, als Avalanche bekannt gab, an einem Open-World-RPG im Potter-Universum zu arbeiten. Das lag nicht nur daran, dass die letzten beiden Harry-Potter-Spiele eher einem Third-Person-Shooter glichen als einem magischen Abenteuer. Vielmehr stieß es bei mir negativ auf, dass sich die Erfinderin des Wizard-Universums Joanne K. Rowling transphob äußerte. Die Schriftstellerin gehört zu den sogenannten TERFs, also zu den radikalen Feminist_innen, die trans Personen auschließen. In ihren Augen sind trans Frauen keine Frauen, wodurch sie Bereiche für weibliche Personen wie Frauenumkleiden, -toiletten oder -organisationen nicht be(i)treten sollten.
Rowling nicht an der Story beteiligt
Was hat das denn aber nun mit dem Avalanche-Spiel zu tun? Wenn uns die Harry-Potter-Reihe eine Sache beigebracht hat, dann sind es Akzeptanz und Toleranz gegenüber Menschen unabhängig ihrer Herkunft, Vorgeschichte und ihres Geschlechts. Dass Rowling mit ihren transphoben Ansichten an der Story für das Spiel mitschreiben könnte, ließ vermutlich nicht nur bei mir ein flaues Gefühl im Magen hochkommen. Zügig nach der Ankündigung des RPGs ließen die Macher_innen in ihren FAQs verlautbaren, dass die Autorin der Potter-Werke nicht an der Story beteiligt ist. Auch wenn Rowlings Ansichten nicht direkt kritisiert wurden, reagierten die Entwickler_innen in einer anderen Art und Weise: Hogwarts Legacy wird trans Optionen bei der Charakter_innenanpassung einbauen (nimm‘ das, Rowling!).
Das Einbinden von Transgender in Spielen ist jetzt nicht etwas extrem Neues in der Videospielbranche. Aber Avalanche sollte die Chance nutzen, um endlich mal einige Dinge zu korrigieren, die in anderen Spielen nicht so gut gelaufen sind. Denn noch immer vertreten Charakter_in-Editoren in Videospielen ein geschlechtsbinäres Bild, also Mann und Frau als einzig mögliche Geschlechtsoptionen. Um zu zeigen, was sich noch ändern muss, nehme ich als Beispiel Cyberpunk 2077 unter die Lupe.
Steffi, schon wieder CD Projekt RED?
Ja, CD Projekt RED kriegt mal wieder von mir auf den Deckel. Zuletzt berichtete ich in einem Beitrag über die Crunch-Time bei der Entwicklung von Cyberpunk 2077 und forderte unter anderem mehr Solidarität mit den überarbeiteten Entwickler_innen ein. Warum habe ich aber ausgerechnet Cyberpunk 2077 für diesen Beitrag ausgewählt? Das polnische Entwicklungsstudio sah sich 2019 dem Vorwurf ausgesetzt, trans Personen zu fetischisieren.

In einer Werbeaktion für Nvidias Raytracing sieht man ein Getränkeautomat, welcher eine Frau mit Penis zeigt. Warum das problematisch ist? Bei der Chromanticore-Werbung werden Stereotype über trans Personen, die größtenteils an optischen Eigenschaften ausgemacht werden, befeuert. Die Designerin des kritisierten Posters behauptet, dass es normal sei, in einer dystopischen Spielewelt wie in Cyberpunk 2077 Körper zu sexualisieren und zu Werbezwecken zu nutzen:
“However, this model is used — their beautiful body is used — for corporate reasons. They are displayed there just as a thing, and that’s the terrible part of it.” (Kasia Redesiuk, Zitat aus Polygon)
Sie bezeichnet es als schlimm, dass die Personen auf den Plakaten objektifiziert und als Werbung genutzt (oder sollte man eher sagen: benutzt) werden. Klingelt da was? CD Projekt RED nutzte es selbst als Werbung für ihr Spiel. Es gehörte zu ihrer Marketing-Strategie, denn alle redeten nun über die Frau mit Penis. Allein schon dadurch, dass die Medien über die Kontroverse berichten und alle darüber diskutierten, ob das jetzt transfeindlich sei oder nicht, war Cyberpunk 2077 mal wieder in aller Munde.
Einige Tage später versprach CD Projekt RED trans Optionen im Charakter_in-Editor umsetzen zu wollen. Ob das aufgrund der eben genannten Kritik erfolgte, bleibt ungewiss. Es wurde versprochen, dass es keine klassische Wahl zwischen Frau und Mann geben sollte. Aber was ist am Ende dabei herausgekommen?
Weil es eben nicht nur um Geschlechtsteile geht
Ich werde hier nur kurz wiedergeben, was schon Lena Maximilian Siess auf Gamepro, die selbst zur Transgender-Community gehört, festgestellt hat. Der Charakter_in-Editor ist schon für Cis-Menschen, also Personen, die sich mit dem bei ihrer Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren können, relativ eingeschränkt. Für trans Personen ist dieser aber noch restriktiver. Der Grundkörper ist entweder männlich oder weiblich. Beim weiblichen Körper können wir nicht die Brust entfernen, was einige trans Männer oder nicht binäre Personen durchführen lassen. Auch können wir beim “männlichen” V keine Brust hinzufügen. Dafür ist es für den Körperbau egal, welches Geschlechtsteil V hat. Wir können zwischen Vulva und Penis entscheiden, wollen wir gar keins auswählen, trägt V eine Unterhose. Das Geschlechtsteil hat überhaupt gar keinen Einfluss auf die Romanzen, die man im Spiel eingehen kann. Generell haben die Geschlechtsteile keine sonderliche Funktion im Spiel. Es fühlt sich mehr so an, als hätten die Entwickler_innen die Geschlechtsteile als Gag einprogrammiert.
V geht nur im binären Geschlechtsbild
Problematisch wird es aber auch bei der Stimmauswahl. V kann entweder eine männliche oder weibliche Stimme haben. V wird von einer Cis-Frau oder einem Cis-Mann gesprochen. Das Problem ist, dass die ausgewählte Stimme die Pronomen festlegt. Hat V also eine weibliche Stimme, wird V automatisch mit sie/ihr angesprochen, bei der männlichen mit er/sein. Dadurch können trans Personen, die möglicherweise eine relativ hohe oder tiefe Stimme haben, mit den falschen Pronomen angesprochen werden. Die Möglichkeit einer nicht binären Geschlechtsidentität ist komplett ausgeschlossen. Statt V einfach ständig mit V anzusprechen, wird V mit er oder sie angesprochen. Selbst in der englischsprachigen Ausgabe werden die Pronomen they/them, welche viele nicht binäre Personen als ideale Ansprache sehen, nicht genutzt.

Screenshot von: Gameactivists – Spiel: Cyberpunk 2077
Was außerdem negativ auffällt, ist die nicht vorhandene Möglichkeit, V’s Aussehen im Spielverlauf zu ändern. Das hätte man von einem Spiel, indem es viel um körperliche Veränderung mithilfe von Cyberware geht, erwarten können. Die Hoffnung bleibt, dass die Entwickler_innen das mit Patches oder spätestens mit weiteren DLCs einführen.
Transgender sind nie Mann oder Frau „genug“
Während die Auswahl des Geschlechtsteils keine Auswirkung auf das Spiel hat, sieht es bei anderen Optionen im Editor anders aus. Denn diese kann Folgen für potenzielle Romanzen haben. Denn nun wird der Körperbau entscheidend. Panam steht auf V, welche_r breiter gebaut sein muss. River steht eher auf einen kurvigen Körperbau, die Stimme scheint beiden ziemlich egal zu sein. Bei Judy und Kerry wird es ein wenig komplizierter. Beide sind homosexuell und fangen auch nur was mit der femininen (also kurviger Körperbau und weibliche Stimme) bzw. dem maskulinen (breiterer Körperbau und männliche Stimme) V an. Gerade bei den homosexuellen Romanzen ist es als Trans-V nicht möglich, eine Beziehung einzugehen. Damit spielt es auch auf eine typische Diskriminierungsform, welche trans Personen tagtäglich erleben, an: Trans Personen, die sich im binären Geschlechterbild verorten, wird häufig vorgebracht, nicht weiblich oder männlich genug zu sein, um als echter Mann oder echte Frau wahrgenommen und akzeptiert zu werden.
Also CD Projekt RED: Nett gemeint, aber schlecht umgesetzt!
Was muss also Hogwarts Legacy besser machen?
Zuallererst muss gesagt werden, dass CD Projekt REDs Cyberpunk 2077 und Avalanches Hogwarts Legacy vermutlich unterschiedliche Zielgruppen haben. Dennoch kann Avalanche etwas aus dem Action-RPG lernen. Beim zauberhaften Charakter_in-Editor werden höchstwahrscheinlich keine Geschlechtsteile zu sehen sein, da Avalanche vermutlich eine USK-12-Freigabe anpeilt. Statt also wie CD Projekt RED einige Arbeitsstunden in die Gestaltung von Penissen und Vulven zu investieren, kann Avalanche einiges an Zeit sparen. Beim Körperbau würde ich mir mehr Anpassungsoptionen wünschen, welche nicht auf einem weiblichen oder männlichen Körper beruhen.
Auch die Stimme muss eine wichtige Rolle spielen. Dabei kann es drei mögliche Optionen geben: Avalanche könnte einen cis Mann, eine cis Frau, eine trans Frau und einen trans Mann als Synchronsprecher_innen einsetzen. Somit hat man genügend Auswahl und nahezu jede Gruppe wäre repräsentiert. Eine andere Möglichkeit wäre, die Stimme einfach selbst verzerren zu können. So kann jede Person die Stimme nach eigenem Belieben anpassen. Die letzte Option wäre, dass die Protagonist_in während des Spiels gar nicht sprechen muss und somit keine Stimme hat. Da die Hogwarts-Schüler_innen erst relativ spät lernen, Zaubereien ohne einen Laut auszuüben, ist das wohl keine Option für Hogwarts Legacy.

Screenshot von: Gameactivists – Spiel: Cyberpunk 2077
Außerdem hoffe ich, dass man die Pronomen unabhängig vom Körperbau und der Stimme auswählen kann. Dabei wäre neben der Er/Sie-Ansprache auch noch eine geschlechtsneutrale Ansprache begrüßenswert. In der englischen Sprachfassung ist es dank they/them nicht allzu unwahrscheinlich. Da es in der deutschen Sprache kein Äquivalent zu der Ansprache von nicht binären Person gibt, sollte Avalanche versuchen die Pronomen zu umgehen. Somit können sich auch endlich nicht binäre Menschen nach ihrem Belieben erstellen, ohne dass sie als weiblich oder männlich angesprochen werden.
Wie Avalanche Trans-Optionen schlussendlich umsetzen wird, werde ich mir nach der Veröffentlichung von Hogwarts Legacy in 2022 genauer anschauen. Ich hoffe nur, dass sie aus dem Editor aus Cyberpunk 2077 gelernt haben, wie sie es nicht programmieren sollten.
Anmerkungen
Stefanie definiert sich selbst als Cis-Frau. Gerne würde sie lieber eine trans Person über Transgender in Videospielen zu Wort kommen lassen. Wenn du dich als trans Person identifizierst und Lust hast, über Transgender-Themen in Videospielen zu berichten, kontaktiere uns!
Korrektur der Schreibweise trans: In der vorherigen Version des Artikels hat Steffi die Schreibweise Trans-Frau beziehungsweise Trans-Männer genutzt. Dies wurde zu trans Frau und trans Mann geändert. Die Kleinschreibung soll deutlich machen, dass es um
eines von vielen Merkmalen der Persönlichkeit geht. Immerhin schreiben wir ja auch nicht Blondfrau oder Blondmann. Sollten wir jemand durch die vorherige Schreibweise verletzt haben, entschuldigen wir uns dafür. Falls wir eine Stelle übersehen haben, kontaktiere uns bitte!